Mittwoch, 26. Januar 2011

Die Entstaatlichung in der „dritten Welt“ - unter der Berücksichtigung Afrikas: Teil 3

Motive für eine Entstaatlichung:

„Paradoxically, rulers of the institutionally weakest states, which face the most severe threats from strongmen and the most intense pressure from outsiders, are the most consistent and thorough in destroying remaining formal state institutions - the very tools advocates of reform regard as the key to regime capabilities.“
                                    -William Reno- (1)

Neben den zahlreichen Gründen der Entstaatlichung gibt es aber vor allem noch Motive, die eine Rolle spielen. So kann man, wenn man die bereits erwähnte Personifizierung des Staatswesen bedenkt, konstatieren, dass eine Verstärkung der Einrichtungen der inneren Sicherheit in diesen auch zu einer Bildung von so genannten „Strongmen“ führen kann, die danach trachten, ihren Einfluss zu vergrößern. (2)
Die Herrscher personifizierter Staatssysteme versuchen aus diesem Grund eine Bildung dieser „Strongmen“ zu verhindern, indem sie das staatliche Heer gezielt schwächen.(3) Hinzu kommt, dass viele Regime durch einen Staatsstreich an die Macht gekommen sind und nun durch die selben Taktiken gefährdet werden, die zuvor selbst angewandt wurden.(4) Da in diesen Gebieten eine ethnische Zugehörigkeit, familiäre Beziehungen oder politische Verbindungen mehr zählen als eine Loyalität zum Staat, ist die Angst vor einem Staatsstreich nicht unberechtigt.(5) Nichts desto Trotz ist eine solche Schwächung auf lange Sicht hin gefährlich, wie es der Fall von Sierra Leone zeigt. Nach Jahren der systematischen Schwächung war das Land Anfang der 1990er den Rebellen der RUF schutzlos ausgeliefert, obwohl diese aus Kindersoldaten und schlecht organisierten Soldaten bestand.
Ein weiteres Motiv ist die Sicherung der, für die Staaten lebenswichtigen, Ressourcen. Diese sind gerade für so genannte „Failed States“ oft die einzige Möglichkeit, am Leben zu bleiben, da durch diese Rohstoffe meist die Waffen oder sogar PMCs/PSCs bezahlt werden. Die Bereitschaft, Mineralien, Öl oder Tropenhölzer als Bezahlung zu verwenden, ist mittlerweile zu einem gängigen Prozedere mutiert. Rohstoffe sind auch oft der Grund, wieso PMCs/PSCs angestellt werden. Die relevanten Einnahmen kommen meistens nur aus vereinzelten Regionen, die aufgrund ihres ökonomischen und strategischen Wert gesichert werden müssen. Der Rest des Landes ist in weiterer Folge unwichtig. Nur die Hauptstadt wird noch benötigt, um international anerkannt zu bleiben. Es entsteht eine symbiotische Beziehung mit ausländischen Konzernen und durch die erfolgte Schwächung des Militärs ist nur noch ein externer Akteur fähig diese, für den Staat so wichtigen, Einkommensquellen zu schützen.(6) Ausländische Firmen gehen aber noch viel weiter: Sie ersetzten die zerfallenden Institutionen des Staates und spielen wichtige politische Rollen, indem sie dem Machthaber helfen, die Opposition und etwaige „Strongmen“ unter Kontrolle zu halten.(7) Aus diesem Grund haben weder Firmen noch die Staaten selbst ein Interesse an einer Reglementierung von privaten Militär- und Sicherheitsfirmen. Denn beide verdienen auf diese Weise genügen Geld, um zu überleben.(8)
Dies gilt aber auch für die Territorien, die von Warlords kontrolliert werden. Diese wollen keinen Staat etablieren und lehnen eine wirtschaftliche Entwicklung ab, da sie von Kontrahenten genützt werden könnte. Deshalb erfolgt auch hier eine Übertragung an externe Akteure, womit potentielle Konkurrenten von einer Versorgung abgeschnitten werden. Des Weiteren wird der eigene Wohlstand durch das meist bessere „Know How“ der hinzugezogenen Konzerne und deren Verbindungen maximiert. In weiterer Folge übernehmen diese externen Unternehmen auch staatliche Funktionen, indem sie für ihre eigene Sicherheit sorgen.(9)

Entstaatlichung von Gewalt - Söldner - PMCs/PSCs:

Das Problem von scheiternden Staaten, die Monopolstellung über die Gewalt sowie die Autorität im eigenen Land zu verlieren, hat weitreichende Folgen. Seien es interne Machtkämpfe oder einfach eine geschwächte Armee; die Sicherheit im Land, für Mensch und Material, ist nicht mehr gewährleistet. Deshalb muss der Staat die sicherheitstechnischen Belange aus seinen Händen geben und private Akteure hinzuziehen. Peter Lock ist der Überzeugung, dass die gesellschaftlichen Veränderungen umso schwerwiegender sind, je schwächer der Staat ist. Es entsteht eine „ökonomische und psychologische Dynamik“, die soziale Ungleichheiten eskalieren lässt. Lock hierzu: „Persönliche Sicherheit transformiert sich von einem allgemeinen Grundrecht zu einer Ware, über deren Verteilung auf einem Markt letztlich die Kaufkraft des einzelnen entscheidet.“(10)
Vines unterscheidet grundsätzlich zwischen drei Arten von „Söldnern“. Dies wären die klassischen Söldnerfirmen, die Private Military Companies, die quasi söldnerähnliche Aktivitäten verrichten sowie letzten Endes Private Security Companies.(11)
Seit den 1990er Jahren ist Afrika von einer signifikanten Nachfrage für Sicherheitsdienstleistungen geprägt, die von einem Zuwachs von Gewalt, Terrorismus und Kriminalität gezeichnet ist. Allein in Südafrika gibt es laut Alex Vines an die 5939 Firmen, die dieser Nachfrage nachkommen.(12)
Die Übergänge verschwimmen zwischen den drei Typen, was eine genaue Definition erschwert. Sicher ist, dass der Großteil der Firmen auch eine dementsprechende Firmenstruktur besitzt, in der auch eine Informationsbeschaffung sowie geeignete Werbemassnahmen enthalten sind. Personalprobleme bestehen grundsätzlich nicht, da sich die Firmen ihre Mitarbeiter sprichwörtlich aus der Masse von ehemaligen Soldaten „herauspicken“ können.(13)

Das Aufkommen von PMCs/PSCs:
Die wohl bekannteste unter den PMCs, Executive Outcomes, erregte zwar während den frühen 1990er Jahren weitreichendes Aufsehen, die erste Firma in diesem Metier war sie jedoch nicht. Vor dem Ende des Kalten Krieges wurde der Markt nämlich bereits von einigen britischen Firmen bedient, die auch in Afrika tätig waren. Ein Beispiel hierfür wäre die in den 60er Jahren gegründete Firma WatchGuard, die hauptsächlich aus ehemaligen Elitesoldaten des britischen SAS bestand.(14)
Diese Firma trainierte die Spezialeinheiten diverser Sultanate im persischen Golf, bis sie sich Kevin O‘Brien zufolge in den 1970er Jahren zu Kulinda Security Ltd. entwickelte und Aufträge in Kenia, Zambia, Tansania und Malawi durchführte.(15) Der Gründer der Firma, David Stirling, war auch in Capricorn Africa  involviert, eine Organisation, die nach dem Zweiten Weltkrieg afrikanische Nationalisten in Tansania, Kenia oder Rhodesien davon überzeugen sollte, von einer  Mehrheitsregierung abzusehen und eine weiße Elite zu akzeptieren.(16)
Eine weitere Firma ist die 1981 gegründete Defence Systems Ltd. [DSL], die als international anerkannte Firma einen Gegenpol zu kleineren, seit den 1960er Jahren nach SAS Soldaten werbenden Firmen bildete. DSL distanzierte sich explizit von Söldnern und betont bis heute, dass es eine rein für Sicherheit zuständige Firma ist.(17)

Söldneraktivitäten in Afrika:
Aber nicht nur privaten Firmen waren im militärischen und sicherheitstechnischen Bereich in Afrika tätig, auch eine Vielzahl von Söldnern war in den diversen Konfliktregionen tätig.
Bereits 1961, während einer Krise im Kongo, wurden von Moise Tshombe, dem Premierminister des Landes, 500 Söldner angeheuert, die von den berühmt, berüchtigten Christian Tavernier, Jaques Schramme und ‚Mad‘ Mike Hoare angeführt wurden. Die UNO hatte, den Ausführungen Musah‘s und Fayemi‘s zufolge, zwar eindeutig die Verwendung dieser Personengruppe verurteilt, die unterstützenden Länder - Belgien und Frankreich - schenkten dem jedoch keine Beachtung, da sie ihre Präsenz vor Ort nicht verlieren wollten.(18)
Dies zeigt deutlich, dass die ehemaligen Kolonialmächte noch oft mit Söldnern „unter einer Decke steckten“ und sie als langen Arm für ihre jeweiligen nationalen Interessen verwendeten. So auch im nigerianischen Bürgerkrieg um Biafra, wo französische Söldner auf der Seite der Sezessionisten agierten, während Ägypter auf nigerianischer Seite die Kampfflugzeuge flogen.(19)
Viel spektakulärer war der 1978 durchgeführte Staatsstreich auf den Komoren, der von einer Söldnergruppe unter der Führung von Bob Denard erfolgreich durchgeführt wurde und ihn für die kommenden Jahre als inoffiziellen Herrscher der Inselgruppe einsetzte.(20) Dieser Coup soll nach der Anleitung des Bestseller Romans „The Dogs of War“ von Autor Frederick Forsysth durchgeführt worden sein. Angeblich hatte jeder der Söldner eine Ausgabe im Gepäck, die quasi als Anleitung diente.(21) 1981 wurde ein ähnlicher Versuch auf den Seychellen in Angriff genommen, dieses Mal von Mike Hoare. Dieser schlug jedoch fehl und Hoare konnte nur knapp entkommen.(22)
Als weltweit die Meinung vorherrschte, dass von Söldner herbeigeführte Staatsstreiche in Afrika der Vergangenheit angehören und nur noch in schlechten Filmen zu sehen sind, wurde die Welt eines Besseren belehrt, als eine Gruppe von Südafrikanern 2004 in Simbabwe verhaftet wurden. Unter der Führung von Simon Mann, der immer wieder mit Executive Outcomes in Verbindung gebracht wird, und der Mithilfe vom Sohn Margaret Thatchers, Mark, sollte ihn Equatorial Guinea ein Staatsstreich durchgeführt werden, der den dortigen Machthaber Obiang Nguema absetzen sollte. Während Mark Thatcher mit einer enormen Geldstrafe davonkam, musste Simon Mann und die anderen Söldner eine Haftstrafe in Simbabwe absitzen. Simon Mann wurde in weiterer Folge  nach Equatorial Guinea überstellt und auch dort vor Gericht gestellt.(23) Im November 2009 wurde er jedoch frühzeitig entlassen und nach Großbritannien geflogen.(24)
Dieser Coup ist auch insofern interessant, als eine Beteiligung Spaniens vermutet wird, das als ehemalige Kolonialmacht unterstützend einschreiten wollte, sobald Nguema abgesetzt worden wäre.(25)
Eine Bilanz:

Auch wenn sich in manchen Bereichen die Gründe für eine Abgabe des Gewaltmonopols überschneiden, so unterscheidet sich die Entstaatlichung der Gewalt in der „dritten Welt“ gravierend von der Privatisierung derselben in den „westlichen“ Ländern.
Die Gründe für den Verlust der Monopolstellung liegen hier viel tiefer. Allein schon der stetige Verlust an Legitimität sowie das Fehlen von einem allgemein gültigen Verständnis von Staatlichkeit, erschweren die prekäre Situation. Es ist wohl auch eine freiwillige Abgabe zu beobachten, gerade wenn es um die Anstellung externer Akteure geht, sei es, um eine innenpolitische Konkurrenz auszuschließen, oder um die Sicherung der lebenswichtigen Rohstoffe zu gewährleisten. So sind auch viele Faktoren im Spiel, die so manchen Staat gezwungen haben, auf Söldner oder PMCs zurückzugreifen. Auch wenn Umstände wie eine schwache Armee oft selbst verschuldet sind, so ist das Phänomen des „Failed State“ ein Zustand vieler Staaten, in dem nur noch hilflos zugeschaut werden kann, wie sich andere Entitäten ein Gewaltmonopol aufbauen oder selbst für ihre Sicherheit sorgen.
Schwache Staaten und Failed States haben, Deborah Avant zufolge, durch eine Privatisierung bzw. Entstaatlichung vieles zu gewinnen, aber auch zu verlieren. So wird auf kurze Dauer eine Verteidigung oder Sicherung des Staates ermöglicht, um so genügend Spielraum für die Errichtung eines basalen Gewaltmonopols zu haben oder den Anspruch auf Autorität zu sichern.(26) Es besteht aber auch die Möglichkeit, dass durch eine Entstaatlichung von Sicherheit der lokale Machthaber erst recht seine Einflussmöglichkeiten maximieren kann, um seine eigenen Interessen forcieren zu können.(27)

Jahrzehnte des Konflikts haben aufgrund der geschilderten Umstände den Kontinent gebrandmarkt und Söldner sowie private Sicherheits- und Militärfirmen haben ihren Beitrag dazu geleistet. Sei es zum Guten oder zum Bösen. Söldner sind nach wie vor eine Realität in der afrikanischen Staatenlandschaft, die nicht so schnell verschwinden wird.


DCJ
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Endnoten:
1)William Reno, Warlord Politics and African States. London 1998, S. 7.
2) Eboe Hutchful, Understanding the African Security Crisis. S. 211f.
3) Ebda.
4) Christo Botha, From Mercenaries to ‚Private Military Companies‘: The collapse of the African State and the Outsourcing of State Security, In: South African Yearbook of International Law, 24, 1999, S. 139.
5) Trutz von Trotha, Georg Klute, Von der Postkolonie zur Parastaatlichkeit. S. 2.
6) Christopher Clapham, African Security Systems. S.34.
7) William Reno, Warlord Politics and African States. S. 7.
8) Greg Mills, John Stremlau, The Privatisation of Security in Africa. S. 6.
9)Stefan Mair. Auflösung des staatlichen Gewaltmonopols und Staatzerfalls. S. 106.
10) Peter Lock, Privatisierung der Sicherheit oder private Militarisierung. S. 72.
11) Ebda.
12) Alex Vines, Mercenaries and the Privatisation of Security in Africa in the 1990s. In: Greg Mills, John Stremlau (Hg.), The Privatisation of Security in Africa. Johannesburg 1999, S. 47.
13) Ebda.
14) Kevin A. O‘Brien, Private Military Companies and African Security 1990-98. In: Abdel-Fatau Musah, J. ‘Kayode Fayemi (Hg.), Mercenaries. An African Security Dilemma, London 2000, S. 46.
15) Ebda.
16) Abdel-Fatau Musah, J. ‘Kayode Fayemi, Africa in Search of Security: Mercenaries and Conflicts - An Overview. In: Abdel-Fatau Musah, J. ‘Kayode Fayemi (Hg.), Mercenaries. An African Security Dilemma, London 2000, S. 20.
17) Alex Vines, Mercenaries and the Privatisation of Security in Africa in the 1990s. S. 71.
18) Abdel-Fatau Musah, J. ‘Kayode Fayemi, Africa in Search of Security. S. 20.
19) Ebda.
20) Abdel-Fatau Musah, J. ‘Kayode Fayemi, Africa in Search of Security. S. 22.
21) Al J. Venter, War Dog. Fighting other People‘s Wars, The Modern Mercenary in Combat, Philadelphia 2006, S. Vii.
22) Robert Young Pelton, Licensed to Kill. Hired Guns in the War on Terror, New York 2006, S. 253
23) Cameron Duodo, The last Mercenary? In: New African, No. 476, August/September 2008, S. 10.
24) o. A. Pardoned coup plot Briton freed, 3. 11. 2009 [http://news.bbc.co.uk/2/hi/africa/8339372.stm] eingesehen am 26. 01. 2011.
25) Robert Young Pelton, Licensed to Kill. S. 310.
26) Deborah Avant, The Market for Force. S.59.
27) Ebda.

Donnerstag, 13. Januar 2011

Die Entstaatlichung in der „dritten Welt“ - unter der Berücksichtigung Afrikas: Teil 2

Gründe für eine Entstaatlichung der Gewalt:

„Personal rule in Africa and its denial of functionally autonomous power for the military has hurt the armed forces‘ professionalism. Personalist leaders see the combination of technical expertise and political loyalty as a security dilemma because the autonomy that military competence requires impinges upon a ruler‘s desire for personal control.“
                                            -Herbert Howe- (1)

Wie auch im Falle der Privatisierung von Gewalt in den Industriestaaten, hat die Abgabe des Gewaltmonopols in der „dritten Welt“ auch mit dem Ende des Kalten Krieges zu tun. Der Überfluss an Mensch und Material aus dem Militärbereich war vor allem auf dem afrikanischen Kontinent spürbar. Aber es gibt mehrere Gründe - im Zuge dieser Arbeit konnten sechs festgestellt werden -, die sich für die Entstaatlichung der Gewalt verantwortlich zeigen:

Ehemalige Soldaten und militärisches Gerät:

Zunächst sei an dieser Stelle abermals auf die Massen von Soldaten hingewiesen, die durch die Zäsur des Jahres 1989 in den zivilen Sektor entlassen wurden. Vor allem die Armee des Apartheidstaates Südafrika war von Reduzierungen betroffen und so bestand wohl die größte Quelle von Soldaten aus eben diesen Beständen der South African Defence Forces [SADF]. Diese Soldaten waren vor allem aufgrund ihres hohen Ausbildungsstandards sowie dem hohen Erfahrungsschatzes äußerst gefragt; nicht zuletzt aufgrund der Tatsache, dass sie die afrikanischen Konflikte gewöhnt waren und sich auch mit verschiedensten Ausrüstungsgegenständen und Waffen zurecht finden konnten.(2)
Waffen gab und gibt es nach wie vor genügend in Afrika, da während der vergangenen 30 Jahren, aufgrund zahlreicher Konflikte und Kriege, an die zehn Millionen automatische Sturmgewehre  und zahlreiche andere Waffen importiert wurden. Am Höhepunkt des Kalten Krieges wurden Waffen und Gerät im Wert von über fünf Milliarden US Dollar pro Jahr nach Afrika geliefert. Vor allem wenn es um Stellvertreterkriege ging, wurde auch noch Ausrüstung geliefert, die das dortige Personal nicht einmal benutzen konnte. Diese Bestände wurden letztlich eingelagert und nach den Kriegen am Schwarzmarkt verkauft.(3) Das Ende der Apartheid öffnete in sämtlichen Konfliktzonen die Waffenarsenale und bewaffnete eine bis dahin schon hochmilitarisierte Gesellschaft noch mehr.  Bereits in den 1980er Jahren waren laut Herbert Howe in Moçambique circa eine Million AK-47 [Das weltweit bekannteste russische Sturmgewehr - die „Kalaschnikov“ Anm.] in privaten Händen.(4) Viele waffenhandelnde und -schmuggelnde Firmen waren vor allem an den natürlichen Ressourcen afrikanischer Länder interessiert und forcierten deshalb nach dem Ende des Kalten Krieges ihre Bestrebungen.(5)

Die Wichtigkeit natürlicher Ressourcen und das Problem der Kriminalität:

Die neuen Konflikte sind typisch für arme und periphere Staaten, denen es an ökonomischen sowie strategischen Ressourcen mangelt. So ist die Kontrolle über die vorhandenen Ressourcen um so mehr relevant, da sie im Falle eines Konfliktes den Kauf von Waffen ermöglichen. Aus diesem Grund sind Warlords und Insurgenten letzten Endes nur wegen der Schwäche des Staates und dem Zugang zu etwaigen Ressourcen überhaupt in der Lage, sich aufzulehnen.(6)
Sollte in einem solchen Fall eine diplomatische Einmischung erfolgen, würde sich unter solchen Umständen eine Mediation als äußerst schwierig erweisen, da Warlords zum größten Teil politische Ziele fehlen, ein ständiger Zuwachs von Splittergruppen zu verzeichnen ist und im Gegensatz zu zwischenstaatlichen Konflikten keine Abhängigkeit von offiziellen Quellen für Waffen oder Patronage besteht.(7)
Diese Konflikte treten gleichzeitig mit einer erhöhten Kriminalität auf, die durch strukturelle Faktoren, wie Armut und Arbeitslosigkeit genährt werden. Eboe Hutchful sieht zudem eine Verschlimmerung dieser Umstände durch neoliberale Reformen. Aber auch politische Entwicklungen wie das Ende der Apartheid in Südafrika hätten zu einer erhöhten Masse an Arbeitslosigkeit sowie ehemaligen Soldaten geführt, die einen leichten Zugang zu Waffen haben. Diese Kriminalität sei schwer zu kontrollieren, da die zuständigen staatlichen Strukturen zu schwach für eine Bekämpfung sind und zudem gegen Organisationen zu kämpfen haben, denen aufgrund weitreichender Drogengeschäfte hohe finanzielle Ressourcen zur Verfügung stehen.(8)

Konzentration der Staatsmacht in einer Person:

In Afrika kann man seit Beginn der „postkolonialen“ Zeit eine deutliche Präsenz von politischen Systemen feststellen, die von selbst ernannten Führungspersönlichkeiten in einem quasi autokratischen Stile geführt werden. Vor allem in den 1980er Jahren herrschte eine Debatte über den „Neo-Patrimonial Staat“ vor, die schon damals wichtige Beobachtungen zu diesem Thema machte.
Es wurde festgestellt, dass Personen, die in einem derartigen Staat über ein öffentliches Amt verfügen, dieses als persönliches Eigentum ansehen. Sehr schnell werden politische und administrative Beziehungen zu persönlichen. Der Staatschef wird zum Patron, zu einem Alleinherrscher auf Lebenszeit. So werden der Staat als Beute und die Ämter als Pfründe angesehen, die eine nicht versiegende Quelle der Macht darstellen, Prestigegewinn inklusive.(9)
Richard Cornwell zitiert hierzu die Autoren Jackson und Rosberg: „What the church was for ambitious men in medieval Europe or the business corporation in nineteenth and twentieth century America, the state is today for ambitious Africans with skill and fortune. The political system in African states is more like a game or a market than a planning organization [...] State power in African countries has been the major arena of privilege [...] accessible to ambitious men of humble origin.“(10)
Dies hat zur Folge, dass andere Gruppen von der Regierung ausgeschlossen werden und ein Klientelsystem aufgebaut wird, das auf Stammeszugehörigkeit oder der Ethnie beruht. Die Rhetorik ist stark ideologisch gefärbt, wenn auch die Herrschaftsausübung hauptsächlich davon geprägt ist, die Macht zu erhalten und somit jegliche Ideologie unwichtig werden lässt.
Die Patronage über die Ressourcen verhindert eine Bildung von Machtzentren, die eine nationale Entwicklung vorantreiben könnten. So wird eine Kollaboration mit ausländischen Konzernen einer Zusammenarbeit mit einheimischen vorgezogen. Herbert Howe drückt es so aus, dass dem „Regime-Survival“ mehr Priorität eingeräumt wird als den nationalen Bedürfnissen.(11) Ein staatlicher Zusammenhalt wird wegen der Furcht vor einer erstarkenden Opposition verhindert; gleichzeitig mit einer Entwicklung des Staates.

Ein schwaches staatliches Militär:

Mit Ausnahme der südafrikanischen Armee, sind andere Heere des Subsahara Bereichs des  afrikanischen Kontinents von einer chronischen Schwäche gezeichnet. Berichte des amerikanischen Verteidigungsministeriums zeigen, dass nur 7 von 46 Streitkräften für einen Multinationalen Friedenseinsatz fähig wären. Und nur neun Staaten von ihnen haben ein starkes Korps an Offizieren. Wenn es um den Einsatz von Pionieren (Brückenbau, Wasseraufbereitung) geht, können lediglich 6 von 42 Armeen auf ein verfügbares Potential zurückgreifen. Was aber gravierender ist, ist die Tatsache, dass nur zwei der ans Meer angrenzenden Staaten so etwas Ähnliches wie eine Marine haben.(12) Das Fehlen einer der drei Grundsäulen der Landesverteidigung - die sich aus Land-, Luft- und eben Wasserstreitkräften zusammensetzen - müsste eine Verstärkung der verbleibenden zwei erfordern. Dem ist aber nicht so.
Um ein paar Beispiele zu nennen: Im Jahr 1996 hatte Moçambique zwar an die 40 russische MiG-21 Kampfflugzeuge, aber einem Verteidigungsataché zufolge „kein Flugzeug das fliegt und kein Boot das schwimmt.“(13) In Zambia sind nur 7 von 20 Panzern einsatzbereit und sämtliche Flugzeuge seit 1992 in Reparatur.(14)

Die Wurzeln dieser, wie es Howe nennt, „militärischen Unprofessionalität“ können bis in die Kolonialzeit zurückverfolgt werden. Die kolonialen Kräfte sicherten ihr Territorium immer nur auf kurze Sicht, da es so im Interesse des Regimes war. Aus diesem Grund wurden kaum nationale Armeen aufgebaut, sondern nur regionale militärische Organisationen.(15)
In dieser Zeit wurde auch der Mythos der „weißen Unbesiegbarkeit“ gebildet, der für viele Konflikte, in die weiße Söldner involviert waren, charakteristisch ist. Die koloniale Herrschaft war nämlich laut Clapham nur deshalb in der Lage, die öffentliche Ordnung aufrecht zu erhalten, weil man sie für mächtig hielt. „They were powerful, because they were believed to be powerful.“(16)
Die Söldner der postkolonialen Zeit konnten von diesem Ruf der militärischen Stärke profitieren, obwohl dies sehr oft nicht auf sie zutraf. Diese Reputation verhalf beispielsweise während des nigerianischen Bürgerkrieges um Biafra (1967-1970) vielen Söldnern zu einer Anstellung.(17)

Erst ab der Unabhängigkeit während der 1960er Jahre entstanden eigene Heere, dennoch oft ohne eigenes Offizierskorps, das nach wie vor von den Kolonialmächten gestellt wurde um eine Bewachung der Grenzen zu gewährleisten und Unruheherde zu befrieden. Howe bemerkt hierzu: „[.], by failing to develop an indigenous and professional officer corps, the forces laid the groundwork for future unprofessional militaries. The lack of national militaries and the lack of local officer corps paralleled colonialism‘s failure to encourage national political identities and political institutions in their african territories.“(18)
Aber die kolonialen Gründe sind nicht die einzigen, die einen negativen Einfluss auf die Entwicklung des Militärs hatten. Vor allem die gezielte Rekrutierung bzw. „ethnische Selektion“ der Soldaten aus bestimmten Bevölkerungsgruppen führt zu großen Problemen. Bereits während der Kolonialzeit wurde bewusst auf eine Ethnisierung gesetzt, um gesellschaftliche Kräfte gegeneinander auszuspielen. Diese Praxis hat sich am Leben erhalten und wird nach wie vor eingesetzt. Die Soldaten werden speziell aus indigenen Minderheiten oder aus als „martialisch“ geltenden Gruppen rekrutiert, aber auch aus den ländlichen Gebieten, wo eine größere Kooperation mit der Staatsmacht herrscht. Ein Beispiel für diese ethnische Rekrutierung wären die Tutsis, die in Ruanda hauptsächlich im Militär anzutreffen waren.(19)
Das staatliche Heer wird aber Peter Singer zufolge, auch als eine Form von Arbeitsbeschaffung für „Problemjugendliche“ herangezogen. Somit wird die Aufrechterhaltung gewisser Standards zusätzlich erschwert, mit dem Resultat, dass immer weniger geschultes Personal zur Verfügung steht.(20)
Der Mangel an, äußeren Bedrohungen ist ein zusätzlicher Faktor, der so manchem afrikanischen Heer schadet. Grundsätzlich ist die Vorbereitung auf einen möglichen feindlichen Eingriff immer ein guter Anlass für eine Forcierung der eigenen Fähigkeiten gewesen. Aufgrund des Fehlens eines klassischen Feindbildes wird aber so auch die Akzeptanz für ein Heer in der Bevölkerung beeinträchtigt.
In hundert Jahren wurde fast nie eine afrikanische Armee mit einem feindlichen Heer konfrontiert, allein schon aufgrund der Tatsache, dass auf der Berliner Konferenz von 1884-85 klare Grenzen in Afrika gezogen wurden, um Konflikte mit anderen Kolonialmächten zu verhindern. Während des 20. Jahrhunderts standen sich auch die großen Kolonialmächte in Afrika nicht antagonistisch gegenüber, vor allem deshalb, da sie in beiden Weltkriegen Verbündete waren. Deutschland und Italien sind hierbei selbstverständlich ausgenommen.(21)
Durch die Abwesenheit von ernstzunehmenden Gefahren nach 1918 verlangsamte sich die Entwicklung eines indigenen Offizier Korps. Es herrschte auch die Angst vor, dass geschulte Afrikaner dem militärischen Flügel einer Unabhängigkeitsbewegung beitreten könnten. Deshalb wurden nur vereinzelt Afrikaner zu Offizieren ausgebildet. In Sierra Leone gab es deshalb bis 1950 keine afrikanischen Offiziere. Die Briten hatten überhaupt erst ab 1960 den ersten afrikanischen Major. Im belgischen Kongo waren von den 24 000 Soldaten im Jahr 1960 nur drei Offiziere im Rang eines Sergeant-Majors und Frankreich hatte sogar 1954 weniger afrikanische Offiziere als 1946, konnte aber dieses Defizit schneller ausgleichen als die anderen Kolonialmächte.(22)
Herbert Howe zufolge legten die Regierungen der Kolonien auch keinen Wert auf eine Ausbildung von indigenen Offizieren, selbst als eine kommende Unabhängigkeit offensichtlich wurde. Man spekulierte einfach auf eine lange Transition und einer dadurch bedingten, längeren Stationierung der eigenen Truppen.(23)
Mit dem Ende des Kalten Krieges verschlimmere sich die Situation für die staatlichen Heere insofern, da mit 1990 die militärische Unterstützung der Großmächte einbrach. Waren es während des Kalten Krieges noch an die fünf Milliarden US Dollar, so wurden 1995 nur mehr 270 Millionen US Dollar subventioniert.(24)
Aber nicht nur politische, strukturelle oder soziale Probleme machen den Streitkräften zu schaffen. Ein gravierendes Problem ist die großflächige Verbreitung des HIV-Virus und der daraus folgenden Aids Erkrankungen. Schätzungen zufolge sind in Angola und dem Kongo an die 50% der Soldaten infiziert. In Uganda sollen es 66% sein, in Malawi 75% und in Simbabwe sogar 80%. Dies führt zu einem schleichenden Verfall innerhalb der ohnehin schon geschwächten Streitkräfte.(25)
Eine Ausnahme in der oben angeführten Problemstellungen ist der Staat Südafrika. Hier war stets eine militärische Stärke notwendig um die unterdrückte schwarze Bevölkerung unter Kontrolle zu halten. So wurden westliche Militärstandards auf die afrikanischen Verhältnisse angepasst, eine Massnahme, die in weiterer Folge den Angestellten von Executive Outcomes zugute kam.
Südafrika kann auf eine lange Liste militärischer Auseinandersetzungen zurückblicken, die den Bedarf an militärischem „Know How“ zu jeder Zeit unterstrichen hat. Seien es die Kriege mit dem Volk der Zulu, der „Great Trek“ (1836-1852), der Buren Krieg (1899-1902) oder die Beteiligung an beiden Weltkriegen, dem Korea Krieg oder dem Border War im südafrikanisch besetzten Namibia sowie in Angola von 1966 bis 1989.(26)

Generell gesehen haben Regierungen, seien es nun demokratisch gewählte oder diktatorische, meistens ein Problem mit der eigenen Armee. Entweder ist sie nicht in der Lage, die ihr auferlegten Pflichten zu erfüllen, oder sie wird zu einer potentiellen Gefahr. Problematisch wird es vor allem für Regierungen, die sich entschließen, aufgrund einer „unfähigen“ Armee externe Hilfe anzunehmen, vor allem, wenn diese Hilfe in der Form von PMCs kommt. Die eigenen Soldaten sehen sich dann meist mit einem Konkurrenten konfrontiert, der höchstwahrscheinlich um ein Vielfaches besser bezahlt wird. Dies hat auch schon zu Rebellionen geführt, wie der Fachwelt im nordöstlich von Australien gelegenen Papua Neu-Guinea vor Augen geführt wurde, wo die Firma Sandline letzten Endes das Land verlassen musste.
Aber nicht nur innenpolitisch muss eine Heranziehung privater Sicherheits- und Militärfirmen unterstützt werden. Auch vom aussenpolitischen Standpunkt her muss ausreichend Unterstützung vorhanden sein, auch wenn es nur eine Stillschweigende ist.(27) Somit haben sich viele Länder Afrikas „in eine Abhängigkeit der Sicherheitsgarantien der Supermächte“ begeben, statt von selbst eine Verbesserung voran zu treiben.(28)

Das Problem afrikanischer Staatlichkeit:

Ein Hauptmanko afrikanischer Staatlichkeit ist wohl das Fehlen einer allgemein gültigen Idee eines Staates. Aus diesem Grund kann auch keine Sicherheitsstruktur aufgebaut werden, vor allem nicht in einem Schmelztiegel verschiedenster  Ethnien und kollektiver Identitäten.(29) Denn der Staat wird nicht als solcher angenommen, da die Grenzen von der Kolonialherrschaft auferlegt wurden und die Identitäten als künstlich gelten, auch wenn jede Identität eine generierte ist.(30) Richard Cornwell meint hierzu: „For most of Africa‘s peoples, the state has long ceased to be the provider of security, physical or social. Only the ‚useful bits‘ will be recolonised by the forces of the outsiders.“(31)
So gesehen ist Clapham zufolge die Auferzwingung des Territorialstaates über verschiedene Bevölkerungsgruppen eines der Probleme afrikanischer Sicherheit und nicht die europäische Kolonialzeit „per se“.(32) Rückblickend wurden nämlich unzählige Gesellschaften und Personenverbände, die auf bindende Systeme wie der Blutsverwandtschaft aufgebaut waren, in ca. fünfzig Staaten zusammengefasst. Umso mehr ist es dann verwunderlich, wenn man bedenkt, dass in der Postkolonialen Ära kein Versuch unternommen wurde, zu der „natürlichen Form des Prä-Kolonialen Afrikas“ zurückzukehren.(33)
Ein in solchen Ländern tobender Guerillakrieg ist laut Clapham ein Resultat, aber auch ein Grund  schlechten Regierens, da verschiedenste „Freiheitsbewegungen“ gegen eine koloniale oder von Minderheiten gebildete Regierung rebellieren, die die Staatsmacht nur dazu ausnützt, die regierende Gruppe zu beschützen, und sei es nur vor einer Forderung nach Regierungsbeteiligung. Beispiele hierfür sind prinzipiell in „Staaten“ wie Äthiopien, Liberia, Somalia, Uganda oder dem damaligen Zaire (der heutigen, demokratischen Republik Kongo)  zu sehen.(34)
Aus diesen Gründen sind afrikanische Staaten auch gegen eine „externe Subversion“ schlecht vorbereitet, da sie aufgrund ihrer Entstehungsgeschichte sowie einer schlechten ökonomischen Entwicklung nicht in der Lage waren, ein effektives Staats- und Sicherheitssystem aufzubauen.(35)

Der negative  Einfluss von NGOs:

Aufgrund zahlreicher humanitärer Gründe, sind in Afrika vermehrt Nichtstaatliche Organisationen tätig, die es sich zum Ziel gesetzt haben den Menschen, den Tieren und der Pflanzenwelt am „schwarzen Kontinent“ zu helfen. Die Gemeinschaft der NGOs muss sich jedoch einer immer gefährlicheren Lage vor Ort stellen, die sich seit den 1990er Jahren zusehends verschlimmert hat.  Allein schon aus dem Grund, dass Hilfe nie neutral ist, werden die Helfer oft zum Ziel von Angriffen. Die Aktivitäten der NGOs können nämlich auch als politisch aufgefasst werden. Sobald nämlich ersichtlich wird, dass auch potentielle Gegner einer kriegsführenden Partei, oder auch nur politische Kontrahenten versorgt werden - sei es medizinisch o.a. - kann nur mehr eine bewaffnete Schutztruppe für Sicherheit sorgen.(36) Die Vorkehrungen für die Sicherheit der einzelnen Mitarbeiter muss aber von den NGOs selbst übernommen werden, da die UNO sowie die betroffenen Regierungen nicht für die Sicherheit aufkommen können oder wollen.(37) Aus diesem Grund heuern die lokalen Mitarbeiter Soldaten, Milizen oder auch PSCs an, um ein Mindestmaß an Sicherheit zu garantieren und forcieren somit eine weitere Entstaatlichung.(38)
So wird in vielen Regionen auch die Verwaltung durch NGOs ersetzt, die eine direkte Konkurrenz zur lokalen Verwaltung darstellt. Daraus folgt ein zusätzlicher Legitimitätsverlust der Zentralherrschaft. „Aus Entwicklungshilfe von Nichtregierungsorganisationen ist [eine] parastaatliche Entwicklungsherrschaft von NRO [NGOs] geworden.“(39)

Ende Teil 2
DCJ
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Endnoten:
1) Herbert Howe, Ambiguos Order. S. 11.
2) Greg Mills, John Stremlau, The Privatisation of Security in Africa. S. 5.
3) Peter Lock, Africa, Military Downsizing and the Growth in the Security Industry. In: Jakkie Cilliers, Peggy Mason (Hg.), Peace, Profit or Plunder? : The Privatisation of Security in War-Torn African Societies. o.O. 1999, S. 13 und 21f.
4) Herbert Howe, Ambiguos Order. S. 7.
5) William Reno, Warlord Politics and African States. S. 89
6) Eboe Hutchful, Understanding the African Security Crisis. In: Abdel-Fatau Musah, J. ‘Kayode Fayemi (Hg.), Mercenaries. An African Security Dilemma, London 2000, S. 219.
7) Eboe Hutchful, Understanding the African Security Crisis. S.220.
8) Eboe Hutchful, Understanding the African Security Crisis. S. 221.
9) Trutz von Trotha, Gewalt, Staat und Basislegitimität. S. 5.
10) zit. Nach: Richard Cornwell, The Collapse of the African State. In: Jakkie Cilliers, Peggy Mason (Hg.), Peace, Profit or Plunder? : The Privatisation of Security in War-Torn African Societies. o.O. 1999, S. 64f.
11) Herbert Howe, Ambiguos Order. S, 10.
12) Herbert Howe, Ambiguos Order. S. 58.
13) Peter W. Singer, Die Kriegs-AGs. S. 103.
14) Herbert Howe, Ambiguos Order. S. 59.
15) Herbert Howe, Ambiguos Order. S. 29.
16) Christopher Clapham, African Security Systems. S. 26.
17) Christopher Clapham, African Security Systems. S. 29.
18) Ebda.
19) Herbert Howe, Ambiguos Order. S. 30
20) Peter W. Singer, Die Kriegs-AGs. S. 102f.
21) Herbert Howe, Ambiguos Order. S. 32.
22) Herbert Howe, Ambiguos Order. S. 33.
23) Ebda.
24) Peter Lock, Söldner und Rebellen. S. 64. Vgl. Peter Lock, Africa, Military Downsizing and the Growth in the Security Industry. S. 13.
25) Peter W. Singer, Die Kriegs-AGs. S. 104.
26) Herbert Howe, Ambiguos Order. S. 34. Vgl. hierzu: Deborah Avant, The Market for Force. S. 157f.
27) Christopher Clapham, African Security Systems. S. 39.
28) Peter W. Singer, Die Kriegs-AGs. S. 102.
29) Christopher Clapham, African Security Systems. S. 30.
30) Greg Mills, John Stremlau, The Privatisation of Security in Africa. S. 9.
31) Richard Cornwell, The Collapse of the African State. S. 76.
32) Christopher Clapham, African Security Systems. S. 27.
33) Richard Cornwell, The Collapse of the African State. S. 62.
34) Christopher Clapham, African Security Systems. S. 31.
35) Christopher Clapham, African Security Systems. S. 32.
36) Herbert Wulf, Internationalisierung und Privatisierung von Krieg und Frieden. S. 149. Vgl. Christopher Spearin, Private Security Companies and Humanitarians: A Corporate Solution to securing Humanitarian Spaces? In: International Peacekeeping, Vol.8, No. 1, Spring 2001, S. 39.
37) Zu den Problemfeldern der humanitären Hilfe und Privater Sicherheitsfirmen siehe: Christopher Spearin, Private Security Companies and Humanitarians. S. 20- 43.
38) Greg Mills, John Stremlau, The Privatisation of Security in Africa. S. 7.
39) Trutz von Trotha, Georg Klute, Von der Postkolonie zur Parastaatlichkeit - Das Beispiel Schwarzafrika. In: Jahrbuch für internationale Sicherheitspolitik, Dez. 2001, <http://www.bmlv.gv.at/pdf_pool/publikationen/03_jb01_34_tro.pdf>, zuletzt eingesehen am 17.09.2008, S. 13.
    Vgl. hierzu: Deborah Avant, The Market for Force. S. 204.

Sonntag, 2. Januar 2011

Die Entstaatlichung in der „dritten Welt“ - unter der Berücksichtigung Afrikas: Teil 1

„Die ,[...], ‚Krise der Gewalt‘ in Afrika ist die Erscheinungsform der Alltagswirklichkeit eines Staatsbildungsvorgangs, im Besonderen des Monopolisierungsprozesses der Gewalt, der noch am Anfang steht bzw. ganz und gar unabgeschlossen ist - und möglicherweise auch niemals in jenen prekären Institutionalisierungsprozess von Herrschaft münden wird, der im Okzident in Gang gesetzt worden ist.“
                                    -Trutz von Trotha- (1)

Der Kontinent Afrika ist für so Manchen nach wie vor ein Ort voller Geheimnisse und Vorurteile, wenn es um das Thema „Söldner“ geht. Gerade während und nach der Epoche der Kolonialisierung wurde immer wieder auf privat angeheuerte Soldaten und Milizen zurückgegriffen, um die jeweiligen politischen/ökonomischen, aber auch privaten Interessen durchzusetzen.
Vor allem in den 1960er und -70er Jahren wurde der schwarze Kontinent von einer neuen Welle der Gewalt getroffen, die sich auch in der vermehrten Verwendung von weißen, „modernen Söldnern“ auszeichnete. Der Begriff „modern“ wird hier deshalb gerne verwendet, da er dem, aus historischer Sicht, an und für sich als legitim erachteten Söldnertums, ein neues Gesicht aufsetzte. Diese „modernen“ Söldner zeichneten sich nämlich nicht nur durch ihre Grausamkeit, sondern auch ihren Rassismus aus und zogen, laut der Meinung bedeutender Vertreter der Sicherheitsbranche, die wiederauferstandene Form der privat erhältlichen, militärischen Dienstleistungen sprichwörtlich „in den Dreck“.(2)
Afrika war und ist für „Söldneraktivitäten“ deshalb so interessant, da hier nach wie vor Gewalt aufgrund verschiedenster Gründe vorherrschend ist. Nicht zuletzt wegen der vielerorts aufzufindenden autoritären Herrschaften, dem Ausschluss von Minderheiten oder sogar Mehrheiten von Regierungsfragen, der sozialen und ökonomischen Beraubung der Bevölkerung sowie letzten Endes der „Unfähigkeit“ von so genannten „Failed States“, Konflikte einzudämmen.(3)
Dieses Kapitel wird versuchen, vor allem die Hintergründe der langsamen Entstaatlichung von Gewalt in der so genannten „dritten Welt“, bzw. dem Nichtzustandekommen des staatlichen Gewaltmonopols zu beleuchten, mit einem Hauptaugenmerk auf Afrika. Dafür wird besonderer Wert dem Phänomen der „Failed States“ beigemessen werden, da in diesen, neben der Kolonialzeit, die Ursachen für den Verlust des staatlichen Gewaltmonopols zu suchen sind. Auch wird im kommenden Text die Frage gestellt, und hoffentlich auch beantwortet werden, ob man im Bezug auf afrikanische Staaten überhaupt von einem Gewaltmonopol sprechen kann. In weiterer Folge werden dann die Gründe und Motive für die Entstaatlichung der Gewalt bearbeitet werden, um im Anschluss darauf kurz auf Söldneraktivitäten sowie die Tätigkeit von PMCs und PSCs einzugehen.(4)
Es soll hier versucht werden, die zeitliche Spanne vom Ende der Kolonialzeit, über die unmittelbare postkoloniale Phase bis hin in 1990er Jahren zu ziehen, die man als „post cold war“ bezeichnen könnte.

Das Phänomen der „Failed States“ und seine Bedeutung für diesen Text:

„Failed states have come to be feared as „breeding grounds of instability, mass migration, and murder“ (in the words of political scientist Stephen Walt), as well as reservoirs and exporters of terror.“
                                            -Robert Rotberg- (5)

Das Phänomen der „Failed States“ ist ein für Afrika charakteristisches und gerade deshalb auch für diesen Text nicht außer Acht zulassen; nicht zuletzt aufgrund der Tatsache, dass die Abgabe des staatlichen Gewaltmonopols eine der zahlreichen Erscheinungen ist, die den Zerfall staatlicher Strukturen begleiten.
Tatsächlich wurden seit den frühen 1990er Jahre an die acht Millionen Menschen aufgrund der Konflikte in und um „Failed States ihres Lebens beraubt und weitere vier Millionen vertrieben. Die Gründe für diesen Zerfall sind mannigfaltig; sie haben sowohl geographische und historische Ursachen, als auch politische und soziale.(6)
So wird in vielerlei Hinsicht der Kolonialherrschaft und den zahlreichen, während dieser Zeit getätigten „Fehlentscheidungen“ eine Schuld angelastet. Auch wird konstatiert, dass die kolonialen Herrschaftseliten weder die demokratischen Institutionen in den afrikanischen Ländern unterstützt hätten, geschweige denn eine in Afrika lokalisierte Entwicklung.(7)
Nach der Meinung Clapmans wurde den Kolonien das weberianische Modell des modernen Staates „auferlegt“, welches eine neue Grenzziehung vorsah, alteingesessene Territorien teilweise zerschnitt und mit anderen zusammenfügte und somit verschiedenste ethnische Bevölkerungsgruppen einer strikten Hierarchie unterwarf. Es wurde somit das Konzept eingeführt, dass sich eine zentrale Herrschaftsinstanz um den Bedarf für Sicherheit kümmerte und damit andere Systeme marginalisierte.(8)
Sicherheit war somit auch eines der Hauptprobleme, als die Entkolonialisierung einsetzte. Denn die Frage nach dem Aufbau und der Zusammensetzung einer nationalen Armee stellte die jungen Staaten in der Anfangsphase vor ein Problem. Deshalb behielten viele koloniale Mächte entscheidende Funktionen ein. Clapham führt beispielsweise den belgischen Kongo an, der nur kurz nach dem Ende der Kolonialherrschaft von Truppen der Vereinten Nationen gesichert werden musste. Aber auch in Kenia, Tanzania und Uganda musste im Laufe der 1960er Jahre von britischer Seite her eingegriffen werden, da diese Staaten nicht ihre eigene Sicherheit gewährleisten konnten.(9)
Genau genommen gab es, laut Peter Lock, im Postkolonialen Afrika keinen Staat, in dem die wichtigsten Merkmale von Staatlichkeit ausgeprägt waren. Dennoch wurden die diversen Systeme sofort in die UNO aufgenommen, obwohl sich meistens ihre Herrschaft nur auf die Hauptstädte beschränkte.(10)
Der Kalte Krieg ermöglichte dann in den folgenden Jahren zumindest eine, wie Stefan Mair es nennt, „formale Hülle von Staatlichkeit“, die einen Staatszerfall begrenzte, bzw. aufhielt. Die Angst vor einem Machtvakuum, das vom jeweiligen Gegner ausgefüllt werden könnte, veranlasste die „Ost-“ und „Westmächte“ dazu, Entwicklungs- sowie Militärhilfe zur Verfügung zu stellen sowie auch gelegentlich eine militärische Intervention durchzuführen.(11)
Mit dem Ende des Kalten Krieges kam es vor allem in Afrika zu zahlreichen Zusammenbrüchen von Staaten. Sierra Leone, Liberia und Somalia stechen hierbei besonders hervor, wobei die ersteren Beiden mittlerweile an einem Punkt angelangt sind, der leichten Optimismus verspüren lässt. Dies kann sich aber schnell wieder ändern, wie es die ambivalente und sich oft schnell verändernde Dynamik solcher schwacher Staaten zeigt. Ein Beispiel hierfür ist wohl die Elfenbeinküste, an der nach einer kurzen Phase der Erholung 2002 erst wieder ein Bürgerkrieg ausbrach und auch momentan wieder Spannungen auftreten.
Es gibt also nach wie vor Staaten, die „regierungsmäßig leer“ sind und mit dem Überleben sowie um die Unterstützung der eigenen Bürger kämpfen müssen. Wie diese Entwicklung vor sich geht, soll im Folgenden noch kurz skizziert werden.

Vom theoretischen Standpunkt aus gesehen:

Der Staatszer- bzw. -verfall kann laut Stefan Mair im Grunde genommen auf zwei Dimensionen fokussiert werden. Diese wären zunächst die abnehmende Fähigkeit des Staates, ihm zugewiesene Funktionen zu erfüllen, wie man sie in Bereichen der Grundversorgung, Bildung und - besonders für diese Arbeit relevant - Sicherheit vorfindet sowie eine steigende Illoyalität und eine sinkende Akzeptanz in der Bevölkerung, den Staat als Regierungsinstanz anzuerkennen.(12)
Hinzu kommt, dass sich diese beiden Umstände gegenseitig auf verstärkende Weise unterstützen und einen Staat zurücklassen, der zwar noch präsent ist, aber unfähig, rudimentäre Leistungen zu sichern.
Laut Trutz von Trotha ist das Konzept des Staates auf den Säulen der Gesetzgebung, Strafverfolgung sowie dem Strafvollzug aufgebaut. Aus diesem Grund stellt er in weiterer Folge auch die Frage, ob man in Anbetracht dessen überhaupt von „Staaten“ in der „dritten Welt“ sprechen kann.(13) Peter Lock weiß hierzu zu berichten, dass afrikanische Staaten oft als „Quasi Staaten“ bezeichnet werden, da wichtige Merkmale von Staatlichkeit ja nicht richtig ausgeprägt sind.(14) Es fehle nämlich manchen Staaten an einer „rationalen Bürokratie“, das Personal wird von der autokratischen Staatsführung des Landes ausgewählt, aber trotz allem kann sich der Staat nicht durchsetzen und fällt somit durch eine geringe Reichweite seines Einflussbereiches und seiner Marginalisierung als Ordnungsmacht auf. Dennoch kommt es zu einem ungehemmten Gewalteinsatz, um die eigenen Interessen durchzusetzen. Charakteristisch ist auch, dass trotz der schwachen Verwaltung eine wirksame politische Kontrolle implementiert werden kann, die sich hauptsächlich auf die Verwendung einer Geheimpolizei stützt.(15)

Aber wann beginnt ein Staat zu versagen oder sogar zu zerfallen? Stefan Mair unterscheidet in diesem Prozess vier Stadien, die eine Orientierung bilden, jedoch keinen linearen Prozess des Verfalls wiedergeben können. Der Ausgangspunkt für Mair‘s Differenzierung ist der funktionierende Staat, in dem sich nur in der Form von Slums ein Verfallsprozess zu zeigen scheint. Dieser funktionierende Staat unterscheidet sich vom Prozess des Staatsversagens, das sich langsam durch strukturelle Defizite bemerkbar macht, die jedoch noch keinen negativen Einfluss auf das staatliche Gewaltmonopol haben. Auch die Souveränität des Staates weist noch keine Einschränkung auf.
Dennoch ist der Staat bereits von Korruption durchzogen sowie von steigender Kriminalität und einer partiellen Privatisierung von Sicherheit geprägt. Eine Verschärfung der Zustände tritt in weiterer Folge durch das Phänomen des Staatsverfall ein, bei dem bereits eine territoriale Einschränkung des Gewaltmonopols festzustellen ist. Die Staatlichkeit an sich wird jedoch noch nicht in Frage gestellt und gewisse, vom Staat nicht mehr ausreichend gewährleistete Funktionen  werden von privaten Institutionen übernommen. Der endgültige Staatszerfall zeichnet sich durch einen Zusammenbruch staatlicher Autorität aus. Es kann hierbei entweder zu einem partiellen Zerfall mit Verlust des Gewaltmonopols sowie der Infragestellung staatlicher Integrität, oder auch  sogar zu einem vollkommenen Staatszerfall ohne jegliche Zentralinstanz kommen. Letzteres kann man für Somalia geltend machen bzw. galt für Sierra Leone und Liberia. (16)
Eine Zuordnung in diese Kategorien erweist sich als äußerst diffizile Angelegenheit, nicht zuletzt deshalb, da die Grenze zwischen partiellem und vollkommenem Staatszerfall eine fließende ist. Es gibt zudem noch eine Vielzahl weiterer Anzeichen, die auf einen Niedergang der Staatlichkeit hindeuten - seien sie ökonomischer, oder auch politischer Natur.
Diese Symptome manifestieren sich zudem in einem sinkenden Lebensstandard, der letzten Endes nur mehr den Eliten in ausreichender Weise zugänglich ist. Des weiteren kommt es zu Versorgungsproblemen bei Nahrung und Treibstoff, da die staatliche Währung am internationalen Markt an Wert verliert. Aber nicht nur das Finanzsystem, auch Bildung, Logistik, Medizin und andere vergleichbare Sparten gehen zugrunde. Der Diebstahl staatlicher Ressourcen sowie der Transfer des dadurch angehäuften Kapitals außer Landes führten zu einem Korruptionssystem, durch das sich übergangene Staatsdiener finanziell über Wasser halten sowie das Klientelsystem der Eliten „bei Laune gehalten“ wird. (17)
Die politische Komponente zeichnet sich vor allem dadurch aus, dass demokratische Normen untergraben werden, indem die Legislatur, die Bürokratie sowie die Kontrolle von Sicherheit und Verteidigung von einer kleinen Gruppe bzw. einer Einzelperson unterworfen und an sich gerissen wird. Diese Führungselite übt eine Patronage über eine Minderheit, den eigenen Clan oder eine ganze Klasse aus, während andere Gruppen systematisch diskriminiert werden. (18)

Wenn es einen eindeutigen Hinweis auf ein Versagen des Staates oder der Sicherheit in einem Staat gibt, dann ist es wohl die Anzahl der aus dem Land flüchtenden Menschen. Auch wenn dieser Indikator laut Christopher Clapham ein unfairer ist - da gerade die in Afrika gezogenen Grenzen schwer zu kontrollieren sind und deshalb eine Migration erleichtert wird -, so ist er doch auch gleichzeitig ein eindeutiges Argument für die prekäre Sicherheitslage in manchen afrikanischen Staaten. (19)
Bedenkt man die oben genannten Ausführungen so könnte man Stefan Mair zustimmen, wenn dieser bemerkt, dass der „Staatszerfall in verschiedenen Formen überall in Afrika“ anzutreffen ist. Auch die sinkende „Fähigkeit, das gesamte Territorium zu kontrollieren, administrativ zu durchdringen und mit staatlichen Dienstleistungen zu versorgen“ ist vermehrt festzustellen. (20)
Dies setzt jedoch voraus, dass man hier mit einem Staatenmodell im weberianischen Sinne argumentiert. Was wenn sich aber ein spezielles politisches System herausbildet, das nicht einem europäisch/westlichen Muster folgt?

Das Problem der Legitimität:

Ein massives Problem, mit dem sich die afrikanischen Staaten der postkolonialen Zeit auseinandersetzen müssen, ist das der schwindenden Legitimität. Trutz von Trotha zufolge fehlt manchen Staaten vor allem eine Basislegitimität - eine Legitimität, deren Wurzeln er nicht in soziologischen Theorien sieht, sondern in einer „gefühlten“ Wahrnehmung. Diese Basislegitimität ist beispielsweise in der Kolonialnostalgie zu finden, in der die ehemaligen Kolonialmächte als „hart aber tüchtig“ oder „streng aber gerecht“ dargestellt werden. (21) Von Trotha unterscheidet mehrere Arten dieser Basislegitimität:
Vor allem als Ordnungsmacht, die sich durch das gekonnte Organisieren und Koordinieren des öffentlichen Lebens auszeichnet, könnte eine solche Basis an Legitimität erzeugt werden. Es würde so gezeigt werden, dass eine Ordnungsmacht etwas bewerkstelligen könnte, was eine „gefühlte“ Glaubwürdigkeit bewirken könnte. Diese Ordnungsmacht fehlt der von Trotha beschriebenen „Postkolonie“. (22)

Es gibt aber auch eine Basislegitimität „der überlegenen Gewalt“. Trutz von Trotha stellt sich in dieser Hinsicht gegen de Jouvenel, der seinerseits konstatierte, dass „ die Illegitimität der nackten Gewalt die größte Hürde der staatenbildenden ‚Räuberbanden‘ [sei]“, sich zu legitimieren. Dem gegenüber meint von Trotha, dass diese Annahme eine „gefährliche Illusion“ sei und die Gründe einer  „überlegenen Gewalt“ nicht „jenseits von dieser“ zu suchen wären. „Überlegene Gewalt ist eine grundlegende Seite der Basislegitimität von Herrschaft und dem staatlichen Gewaltmonopol komplementär.“ (23)
Es ist das Recht des Stärkeren, eine absolute Dominanz. „Überlegene Gewalt überzeugt, weil es gar keine Fragen mehr gibt. [...] Als Überlegene Gewalt schafft Gewalt Ordnung und ist Ordnungserfahrung. Weil die Gewalt die Ordnung zerstört und sie (wieder-)erstehen läßt [sic!], beweist sie jene gottähnliche Kraft, die in den Ursprungs- und Herrschaftsmythen der Mächtigen verherrlicht wird.“(24)
Die Kolonialherrschaft bezog aus ihrer, von Trotha genannten, „Gewaltherrschaft“ die  Legitimation. So gesehen ist die überlegene Gewalt eine der wenigen verbliebenen Quellen von Legitimität und wird deshalb auch von einem Teil den „postkolonialen“ Eliten afrikanischer Länder rücksichtslos ausgeübt und gefeiert.(25)

Die kulturelle Zugehörigkeit ist ein weiteres Legitimität stiftendes Merkmal, das es zu berücksichtigen gilt. Nicht zuletzt meint hierzu von Trotha: „Die Bestimmung, wer dazu gehört und wer nicht, ist konstitutiv für Gesellschaft.“(26) Zugehörigkeit ist ein fundamentaler Bestandteil eines Solidaritätsgefühls. Es bildet sozusagen die Basislegitimität des „Wir“. Dieses Gefühl wurde während der Kolonialherrschaft nicht bedient, denn es handelte sich ja um eine Fremdherrschaft. Das Wichtige für den afrikanischen Staat ist in diesem Zusammenhang die Tatsache, dass zwar die Ordnungsmacht in der „Postkolonie“ verschwunden, aber bis heute die Legitimation der Zugehörigkeit vorhanden ist. Diese Art von Legitimierung funktioniert aber nur in Kombination mit einem energischen Antikolonialismus, da es verschiedene ethnische Bewegungen aufzufangen gilt, die wiederum ein Zeichen wankender Zugehörigkeitslegitimität sind.(27)

Das schrittweise Versagen des Staates und der Verlust eines Mindestmaßes an Legitimität, sind maßgebliche Faktoren, die für eine Entstaatlichung der Gewalt charakteristisch sind. Aber es sind nicht nur theoretische Probleme, die sich für diesen Vorgang verantwortlich zeigen, sondern auch reale Begebenheiten, wie man im Folgenden noch sehen wird.

DCJ
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Endnoten:

1) Trutz von Trotha, Gewalt, Staat und Basislegitimität. Notizen zum Problem der Macht in Afrika (und anderswo), In: Heidi Willer u.a. (Hg.), Macht der Identität-Identität der Macht. Politische Prozesse und kultureller Wandel in Afrika (Beiträge zur Afrika Forschung, Bd.5), Münster 1995, S. 2.
2) Tim Spicer, An unorthodox Soldier. Peace and War and the Sandline Affair, Edinburgh 2000, S. 37.
3) Greg Mills, John Stremlau, The Privatisation of Security in Africa: An Introduction. In: Dieselben (Hg.), The Privatisation of Security in Africa, Johannesburg 1999, S. 2.
4) Dies wird nur eine kurze Darstellung beinhalten, da im Fallbeispiel zu Executive Outcomes eingehend darauf eingegangen wird.
5) Robert Rotberg, Failed States in a World of Terror. In: Foreign Affairs, Jul/Aug 2002, Vol. 81 (4), S.129.
6) Robert Rotberg, Failed States in a World of Terror. S. 127.
7) Herbert Howe, Ambiguos Order. Military Forces in African States, London 2001. S. 27.
8) Christopher Clapham, African Security Systems: Privatisation and the Scope for Mercenary Activity. In: Greg Mills, John Stremlau (Hg.), The Privatisation of Security in Africa, Johannesburg 1999, S. 25f.
9) Christopher Clapham, African Security Systems. S. 28f.
10) Peter Lock, Söldner und Rebellen: Zur Rolle der Gewalt in Afrikanischen Ökonomien, In: IAF, 1/2000, S. 63.
11) Stefan Mair, Auflösung des staatlichen Gewaltmonopols und Staatszerfalls. In: Mira A. Ferdowsi (Hg.), Afrika - Ein verlorener Kontinent? München 2004, S.105.
12) Stefan Mair, Auflösung des staatlichen Gewaltmonopols und Staatszerfalls. S.104.
13) Trutz von Trotha, Gewalt, Staat und Basislegitimität, S. 4.
14) Peter Lock, Privatisierung der Sicherheit oder private Militarisierung. Aktuelle Entwicklungen, In: Afrika Jahrbuch 1997, S.76.
15) Trutz von Trotha, Gewalt, Staat und Basislegitimität, S.6.
16) Stefan Mair, Auflösung des staatlichen Gewaltmonopols und Staatszerfalls. S. 108.
17) Robert Rotberg, Failed States in a World of Terror. S. 129-130.
18) Ebda.
19) Christopher Clapham, African Security Systems. S.31.
20) Stefan Mair, Auflösung des staatlichen Gewaltmonopols und Staatszerfalls. S. 120.
21) Trutz von Trotha, Gewalt Staat und Basislegitimität. S. 8.
22) Trutz von Trotha, Gewalt Staat und Basislegitimität. S. 10.
23) Trutz von Trotha, Gewalt und Staat und Basislegitimität. S. 9.
24) Trutz von Trotha, Gewalt und Staat und Basislegitimität. S. 9.
25) Ebda.
26) Trutz von Trotha, Gewalt und Staat und Basislegitimität. S. 13f.
27) Ebda.