Donnerstag, 23. Februar 2012

Die Berichterstattung über die PMC Executive Outcomes in den 1990er Jahren - Teil 1

Einleitung

Afrikanische Konflikte spielen in den europäischen Medien leider nur eine periphere Rolle;  nämlich erst dann, wenn (I) es zu gewalttätigen Ausschreitungen größeren Ausmaßes kommt, ja sogar erst, wenn (II) interne und externe Spannungen in Genoziden gipfeln, aber auch, (III) wenn eine neue Form des Konfliktes an den Tag tritt.
Aus diesem Grund wird sich diese Arbeit mit einem Teilaspekt afrikanischer Konflikte auseinanderzusetzen sowie ein wenig Licht auf die Berichterstattung zweier spezifischer Fälle werfen, die wohlgemerkt mit dem oben erwähnten, dritten Punkt, nämlich einer neuen Form des Konfliktes, zu tun haben.
Genauer gesagt, sollen die Einsätze des südafrikanischen private military contractors (PMC) Executive Outcomes (EO) in Angola und Sierra Leone während der 1990er Jahre in Augenschein genommen werden, und wie dessen Beteiligung an diesen Konflikten das Interesse der Printmedien, aber auch der Forschung auf sich gezogen hat. Es soll gezeigt werden, wie das Bild des „weißen Söldners“, dass in den Wirren der Entkolonialisierung Afrikas entstanden ist, auf die Firma EO und ihre Mitarbeiter übertragen wurde, aber auch welche Auswirkungen es auf die Berichterstattung der jüngeren Vergangenheit hatte.


Quellen, Literatur

Die Literatur zu dieser Thematik ist zahlreich, kämpft aber mit dem Problem starker Polarisierung. Dies hat mehrere Gründe:
Mit dem Ausbau des staatlichen Gewaltmonopols im Laufe der letzten Jahrhunderte, hat eine kollektive Ausgrenzung der Personengruppen, die als „Söldner“ aktiv sind, stattgefunden.(1) Dementsprechend, ist die öffentliche Meinung eine Negative. Auch die Problematik der genauen Definition von Söldnerarbeit, erleichtert den Zugang nicht wirklich.

Für wissenschaftliche Auseinandersetzungen mit EO und dem Phänomen privatisierter Sicherheit, haben sich vor allem Herbert M Howe (2), Peter W. Singer (3) und Deborah Avant(4) durch ihre Objektivität ausgezeichnet. Diese Personen dienen in weiterer Folge als Hauptquelle zahlreicher anderer Autoren und Autorinnen, die die Informationen dementsprechend für ihre eigenen Analysen verwenden.
Ein Problem speziell für diese Arbeit, stellen die südafrikanischen Zeitungen dar, deren Artikel aus den 1990er Jahren nur aus zweiter Hand zitiert werden können und dementsprechend mit Vorsicht zu genießen sind.(5) Auch die Artikel des Soldier of Fortune Magazines, müssen aufgrund der eindeutigen, politischen Positionierung des Blattes hinterfragt werden, stellen aber dennoch eine wertvolle Ressource an Informationen und alternativen Blickwinkeln dar.

Aufbau

Dieser Blog wird sich zunächst mit den Definitionsproblem von Söldnern im Allgemeinen auseinandersetzen, um dann in weiterer Folge die hier verwendete Definition für die folgenden Seiten zu präsentieren. Es muss weiters auf die „Söldnerwahrnehmung“ an sich und deren Ursprünge eingegangen werden, um in weiterer Folge die Reaktion der Medien auf die Firma EO verstehen zu können.
Der Hauptteil wird sich dann mit der Firma Executive Outcomes auseinandersetzen und nach einem kurzen Ausflug in die Geschichte der Firma, mit den Konflikten in Angola und Sierra Leone beschäftigen und wie diese in den Medien und der Forschung wahrgenommen wurden.
Vor dem Resümee soll dann noch ganz kurz auf die Konsequenzen eingegangen werden, die die Berichterstattung, aber auch die Wahrnehmung der Firma EO nach sich gezogen hat.

Problembereiche

Was ist eine PMC, wer ist ein Söldner? Erste Definitionsprobleme

Eine PMC ist eine private military company bzw. mittlerweile gibt es auch die Bezeichnung private military contractor. Einerseits ist hier wirklich von Firmen die Rede, die diverse Dienstleistungen am Sicherheitssektor vermarkten, aber auch von einzelnen Personen. „Contractor“ heißt im Englischen nicht umsonst „Arbeitnehmer“.
Vor 10 Jahren waren noch die Begriffe PMF (private military firm) und die Bezeichnung PSC (private security company) gängig. Man sieht also, dass die Forschung mit diesem neuen Phänomen noch ein wenig überfordert ist und in vielerlei Hinsicht kein Konsens bezüglich der Definition besteht. Da aber die Literatur hauptsächlich von Autoren wie Singer und Isenberg maßgeblich beeinflusst wird, hat sich zumindest „PMC“ für die Bezeichnung der modernen Sicherheitsfirmen in der Fachliteratur und den Medien durchgesetzt.
Das Problem ist nur, dass diese Firmen meist nichts miteinander gemein haben. Abgesehen davon, befindet sich die Sicherheitsbranche in einem stetigen Wandel, der eine Definition zusätzlich erschwert.(6) Es gibt hier nämlich Firmen, die sich rein als Systemerhalter im militärischen Infrastrukturen betätigen, und solche, die für Objekt- und Personenschutz eingesetzt werden. Letztgenannte Firmen trifft man heute vor allem im Irak und in Afghanistan an und kann sie als die Nachfolger von Firmen, die in den 1990er Jahren vor allem in Afrika zu einem größerem Bekanntheitsgrad gekommen sind, sehen.

Eine weitere, sehr wichtige Frage ist, ob man „ordinäre“ Söldner mit den PMCs von heute gleichsetzen kann? Peter W. Singer zufolge, gibt es viele Gemeinsamkeiten, aber gleichzeitig auch grundlegende Unterschiede, die einer Pauschalisierung im Wege stehen. Oft werden auch nur „normative Urteile“ gefällt, um die PMC Branche zu reglementieren oder zu kriminalisieren.(7)
Eine engere Definition von Söldnern, findet man im Zusatzprotokoll der Genfer Konvention von 1977, das folgend formuliert ist:

„Art. 47 Söldner

1.  Ein Söldner hat keinen Anspruch auf den Status eines Kombattanten oder eines Kriegsgefangenen.

2.  Als Söldner gilt,


a) wer im Inland oder Ausland zu dem besonderen Zweck angeworben ist, in einem bewaffneten Konflikt zu kämpfen,

b) wer tatsächlich unmittelbar an Feindseligkeiten teilnimmt,

c) wer an Feindseligkeiten vor allem aus Streben nach persönlichem Gewinn teilnimmt und wer von oder im Namen einer am Konflikt beteiligten Partei tatsächlich die Zusage einer materiellen Vergütung erhalten hat, die wesentlich höher ist als die den Kombattanten der Streitkräfte dieser Partei in vergleichbarem Rang und mit ähnlichen Aufgaben zugesagte oder gezahlte Vergütung,

d) wer weder Staatsangehöriger einer am Konflikt beteiligten Partei ist noch in einem von einer am Konflikt beteiligten Partei kontrollierten Gebiet ansässig ist,

e) wer nicht Angehöriger der Streitkräfte einer am Konflikt beteiligten Partei ist und

f) wer nicht von einem nicht am Konflikt beteiligten Staat in amtlichem Auftrag als Angehöriger seiner Streitkräfte entsandt worden ist.“(8)


Zu dieser Definition muss hinzugefügt werden, dass sie so formuliert wurde, dass für die Unterzeichnerstaaten keine Interessenkonflikte entstehen würden.(9) Nachdem auch noch alle fünf Punkte zutreffen müssen, um als Söldner zu gelten, fallen moderne PMCs wiederum nicht in diese Definition. Geoffrey Best meint hierzu salopp: „Any mercenary who cannot exclude himself from this definition deserves to be shot -  and his lawyer with him“.(10)
Von einem anderen Aspekt weiß Erwin A. Schmidl zu berichten, der in dem Zusatzprotokoll eine spezielle, juristische Strategie im Zusammenhang mit den Stellvertreterkriegen im Kalten Krieg sieht, die dazu dienen sollte, amerikanische und südafrikanische „Söldner“ im Kampf gegen den Kommunismus in Afrika zu verteufeln.(11)

Um längere Ausschweifungen zu vermeiden und eine brauchbare Abgrenzung zu erzielen, werden für diesen Blog die Definitionen von Peter Singer verwendet, die wie folgt ausgearbeitet wurden:

Was macht einen Söldner aus?(12)
Staatsangehörigkeit: Söldner sind in der Regel keine Bürger oder Bewohner des Landes, in dem sie kämpfen.
Unabhängigkeit: Söldner sind durch keine dauerhafte Zugehörigkeit mit irgendwelchen nationalen Streitkräften oder Truppen verbunden; sie haben vielmehr den Status von Angestellten auf Zeit.
Motivation: Söldner geht es um individuelle und kurzfristige wirtschaftliche Vorteile, sie kämpfen nicht für politische oder religiöse Ziele.
Rekrutierung: Söldner werden auf verschlungenen und verdeckten Wegen angeworben und bleiben möglichst anonym, um die Gefahr strafrechtlicher Verfolgung zu minimieren.
Organisation: Söldnertruppen sind temporäre, ad hoc zusammengestellte Gruppen von Einzelkämpfern.
Leistungsumfang: Da Söldner immer erst unmittelbar vor Beginn einer Operation rekrutiert werden, beschränkt sich ihre Dienstleistung auf Kampfeinsätze für den jeweiligen Auftraggeber.


Im Gegensatz dazu stehen folgende Unterschiede, mit denen sich PMCs von Söldnern abheben:

Organisationsform: vorrangig Unternehmensstrukturen, Konzernbildung.
Motivation: Gewinnorientierung (weniger auf individueller als auf Firmenebene).
Offener Markt: Gesetzeskonformität, Rechenschaftspflicht.
Leistungsspektrum: breite Leistungspalette, heterogene Kundenstruktur.
Mitarbeiterrekrutierung: öffentlich.
Einbettung: Verflechtungen mit Holdinggesellschaften und Finanzmärkten.
(13)

Problem der Söldnerwahrnehmung

Das heutige Bild von „Söldnern“ ist vor allem durch die Aktionen kleinerer Gruppen von Weißen in Afrika entstanden. David Shearer schreibt hierzu: „By the 1960s, the activities of foreign troops in Africa had established an image of the mercenary as an agent of the colonial powers and therefore a reactionary symbol of racism and opposition to self-determination.“(14) Vor allem in den Wirren der Dekolonisierung Afrikas und den dadurch entstehenden Machtkämpfen, entstand der Mythos, dass eine kleine Gruppe von Weißen alles ändern kann und ein Garant für den Sieg sei. Es bildete sich aber auch die Vorstellung, dass Söldner nur dem Meistbietenden dienen würden und keine Loyalität besäßen. Während des Kongo Konfliktes in den 1960er Jahren erlangten Bob Denard, Mike Hoare, Jack Schramme und Siegfried ‚Kongo‘ Müller zweifelhafte Berühmtheit. Mike Hoare und Bob Denard machten auch durch mehrere Putschversuche von sich reden.(15)
Dies trug zum populären Bild des Söldnerputsches bei, das in vielen Büchern und Filmen thematisiert wurde und so mittels der Popkultur auch einen Einfluss auf die Söldner  und deren Selbstwahrnehmung und Selbstdarstellung hatte.
Die Wahrnehmung von ehemaligen Soldaten, die für Geld weiterhin ihre Dienste anbieten, ist bis heute markant vorhanden und vor allem in Afrika ein ernstzunehmendes Bild. David Isenberg geht sogar soweit zu behaupten, dass die Stimmung heutzutage so voreingenommen ist, dass jeder, der nicht zu regulären Streitkräften gehört, aber dennoch eine  Waffe trägt, als Söldner gebrandmarkt wird. Auch für die Berichterstattung findet er klare Worte: „It is a fact that much of the debate over private military and security contractors sheds more heat than light. The tale is made worse because many of those doing the telling, both pro and con, have their own partisan agendas. Because so many people, at least in Western nations, are relatively unfamiliar with military affairs, the concept of people willing to place themselves in harm‘s way, primarily in pursuit of profit, means only one thing: mercenary.“(16)
Diese Aspekte sind für das Verständnis des Gesamtkontext wichtig, wenn es um das demnächst folgende Fallbeispiel geht.





Ende Teil 1

DCJ
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Endnoten:

(1) Peter W. Singer, Die Kriegs - AGs. Über den Aufstieg der privaten Militärfirmen, Frankfurt am Main 2006, S. 81.
(2) Herbert M. Howe, Ambiguous Order. Military Forces in African States, London 2001.
(3) Peter W. Singer, Die Kriegs - AGs.
(4) Deborah D. Avant, The Market for Force. The Consequences of Privatizing Security, Cambridge u.a. 2005.
(5) Diese werden aus dem Buch des EO Gründers zitiert: Eeben Barlow, Executive Outcomes. Against all Odds, Alberton 2007.
(6) David Isenberg, Shadow Force. Private Security Contractors in Iraq, Westport 2009, S. 16.
(7) Peter W. Singer, Die Kriegs - AGs, S. 77 und S. 84.
(8) Zusatzprotokoll zu den Genfer Abkommen vom 12. August 1949 über den Schutz der Opfer internationaler bewaffneter Konflikte http://www.admin.ch/ch/d/sr/0_518_521/a47.html [zuletzt eingesehen: 07.07. 2011].
(9) Peter W. Singer, Die Kriegs - AGs, S. 78. Für genauere Ausführungen zu diesem Aspekt siehe auch: David Shearer, Private Armies and Military Intervention. Adelphi Paper 316, New York 1998, S. 16 - 20.
(10) Geoffrey Best, Humanity in Warfare: The Modern History of the International Law of Armed Conflicts. London 1980, S. 328. Zitiert nach: David Shearer, Private Armies and Military Intervention. S. 18.
(11) Erwin A. Schmidl, Soldaten - Söldner - Freiwillige. In: Walter Feichtinger, Wolfgang Braumandl, Nieves-Erzsebet Kautny (Hg.), Private Sicherheits- und Militärfirmen. Konkurrenten - Partner - Totengräber? Wien, Köln, Weimar 2008, S. 36.
(12) Peter W. Singer, Die Kriegs - AGs, S. 81.
(13) Peter W. Singer, Die Kriegs - AGs, S. 87.
(14) David Shearer, Private Armies and Military Intervention. S. 15.
(15) Tim Spicer, An unorthodox Soldier. Peace and War and the Sandline Affair, Edingbourgh, London 1999, S.35-37.
(16) David Isenberg, Shadow Force. S. 5f.